verfasst von Csaba Matrahazi/Thomas Willmann – Schweriner Volkszeitung
„Hier regiert der RVL!“ Man brauchte kein eingefleischter Ringkampf-Anhänger zu sein, um sich von der Begeisterung mitreißen zu lassen, die am Samstagabend durch die Lübtheener Hans-Oldag-Halle schwappte. Die Lokalmatadoren hatten soeben den KSV Witten mit 13:10 bezwungen und dadurch die rote Laterne in der Bundesliga Nordwest an den bis dato punktgleichen RC Düren-Merken weitergereicht: Der hatte parallel seinen Heimkampf gegen den ASV Mainz klar mit 4:29 verloren.
Als Bert Compas das bekannt gab, riss es auch die wenigen noch sitzenden Zuschauer von den Plätzen. Der RVL-Vorsitzende selbst hatte zuvor unter Dauerstrom gestanden, mochte teilweise gar nicht mehr hinschauen. „Wahnsinn. Wir haben starke Wittener bezwungen, die unbedingt gewinnen wollten, weil es für sie um die Playoff-Teilnahme geht. Das zeigt, wir können hier mitringen und gehören in diese Liga“, sprudelte es förmlich aus ihm heraus.
Es gab unter den Zuschauern so einige Propheten, die einen positiven Ausgang vorausgesagt hatten. „Ich habe heute meine Frau dabei – wir gewinnen“, meinte ein Fan im Vorbeigehen mit erhobenem Daumen. Und auch Torsten Schmal setzte „alles auf Sieg“. Das Lübtheener Ringer-Urgestein, das von 1973 bis 2017 auf der Matte gestanden hat, zuletzt in der zweiten Mannschaft, wünschte sich den Sieg zu seinem heutigen 53. Geburtstag. Gewohnt zurückhaltend gab sich Cheftrainer Jens-Peter Sievertsen: „Der Ausgang ist ungewiss. Es wird einige enge Kämpfe geben, die wir für uns entscheiden müssen.“
Wie eng es zuging, zeigten schon der Endstand und auch das 6:6 zur Pause. In den ersten fünf Kämpfen lief es aus Lübtheener Sicht ganz okay. Man haderte aber schon ein wenig mit dem Ringergott. Nikolai Mohammadi (57 kg/griechisch-römisch) fehlte bei seinem souveränen 14:0 zum Auftakt nur ein Punkt am vorzeitigen Sieg durch technische Überlegenheit. Das brachte ein 3:0 und nicht ein mögliches 4:0 auf die Anzeigetafel. Aslan Mahmudov (130 kg/Freistil) und Mitko Asenov (61 kg/Fr.) führten nach taktisch klug geführten Kämpfen bis wenige Sekunden vor Schluss, um beide dann doch noch die entscheidende Wertung abzugeben. Damit ging jeweils ein Zähler an die Gäste, die durch den anschließenden Schultersieg von Nico Brunner gegen Ceven Matthes (98 kg/gr-r.) auf 6:3 vorbeizogen. Richtig hoch kochte die Halle, als Andrej Ginc (66 kg/gr.-r.) aus bedrohlicher Lage blitzsauber konterte, seinen Gegner in der Folge beherrschte, einen 0:6-Rückstand in ein 17:6 verwandelte und so zum 6:6 ausglich.
„Das ist auch ein Kampf, den wir unbedingt brauchen, feuert kräftig an“, betätigte sich Compas nach der Pause immer wieder als Motivator. Und die Zuschauer ließen sich nicht lange bitten. Die Stimmung von außen schien sich leistungsfördernd auf die Matte zu übertragen. So erkämpfte Lennard Wickel (86 kg/Fr.) trotz zwischenzeitlicher Behandlung am lädierten Knöchel ein 9:8, legte Routinier Dennis Langner ein 5:2 nach. Einen bärenstarken Auftritt zeigte U23-Vizeweltmeister Rajbek Bisultanov (80 kg/gr.-r.) bei seinem 8:0 gegen den zehnfachen deutschen Meister Adam Juretzka, der trotz seines reifen Ringeralters von 47 Jahren „immer noch ein unglaublicher Athlet ist“. Trotz des Zwischenstandes von 12:6 entlud sich die Anspannung im Lübtheener Lager erst, als Frederik Bjerrehuus (75 kg/gr.-r.) den WM-Dritten von 2016, den Rumänen Ilie Cojocari, mit 4:3 niedergerungen hatte. Da stürmten Andrej Ginc und Lennard Wickel spontan als erste Gratulanten auf die Matte. Dass Norman Mahmudov (75 kg(Fr.) zum Abschluss den erwartet schweren Stand hatte und die letzten vier Punkte des Abends abgab, ging in der allgemeinen Euphorie fast unter.
Der Mannschaftssieg lieferte die perfekte Steilvorlage für die anschließende Party, die der RV Lübtheen traditionell nach seinem letzten Heimkampf gemeinsam mit den Fans feiert. Bis 2.30 Uhr ging es hoch her. Dann wurde mit vereinten Kräften noch für eine besenreine Halle gesorgt.
Die Saison beschließt der RVL am nächsten Sonnabend mit der denkbar schweren Auswärtsaufgabe beim ASV Mainz. Der Tabellenzweite darf sich noch Chancen auf den Staffelsieg ausrechnen.
[AFG_gallery id=’78‘]