von Thomas Willmann/Schweriner Volkszeitung vom 21.02.13
Gründervater des Lübtheener Ringervereins äußert sich empört zu Beschluss des Internationalen Olympischen Komitees
Der Beschluss des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), die Sportart Ringen für 2020 aus dem Olympischen Programm zu nehmen, hat weltweite Proteste ausgelöst (SVZ berichtete). Auch beim Ringerverein Lübtheen stieß die Ankündigung auf Empörung. SVZ hatte Gelegenheit, mit Csaba Mátraházi zu sprechen. Der 73-Jährige, der 1963 aus Ungarn in die Lindenstadt gekommen war und dort ab 1968 als „Gründervater“ das Ringen als Wettkampfsport aufgebaut hat, ist noch heute in beratender Funktion für den Zweitliga-Aufsteiger tätig und bringt sich auch aktiv in die Technik-Schulung der Männer ein, wenn einmal Not am Mann sein sollte.
Wie fiel Ihre erste Reaktion aus, als Sie von dem Beschluss gehört haben?
Csaba Mátraházi: Ich habe gedacht, jetzt ist die Bombe geplatzt. Die Ringer standen ja schon seit vielen Jahren im Fokus des IOC, wurden immer wieder angegriffen, so nach dem Motto: Wenn ihr nichts ändert, fliegt ihr raus. Dennoch, „überrascht“, wie sich unser Verband gezeigt hat, ist für diese hinterhältige Entscheidung ein viel zu milder Ausdruck. Wir sprechen hier gewissermaßen von der Mutter aller Sportarten. Gerungen wurde nachweislich schon vor 5000 Jahren. Der Ringkampfsport wird auf allen Kontinenten betrieben, dem Weltverband sind 147 Länder als Mitglieder angeschlossen. In Deutschland und überhaupt in Westeuropa stehen wir zwar ein bisschen hintendran, aber in Russland, den USA oder dem Iran, um nur einige Beispiele zu nennen, ist das Ringen ungeheuer populär. Oder nehmen Sie Bulgarien und die Türkei, da stehen die Kinder im Training Schlange.
Wie erklären Sie sich dann diese Entscheidung?
Mátraházi: Die Speerspitze richtet sich wohl gegen Russland und die GUSStaaten, deren sportliche Dominanz nach der Auflösung der Sowjetunion wirklich erdrückend ist. Das kann aber doch kein Grund für die Streichung der traditionsreichsten Sportart der Welt sein. Ich finde es schon beängstigend, dass ein paar alte Herren so viel Macht haben. Wenn es darum geht, dass der Umfang des olympischen Programms zu groß geworden ist, so lässt sich sicher überall etwas komprimieren. Auf den Ringkampfsport bezogen könnte ich mir vorstellen, dass man es wie bisher bei acht Gewichtsklassen belässt, aber durch einen für die jeweiligen Spiele festzulegenden Wechsel zwischen klassischem und freiem Stil – man fängt zum Beispiel mit 55 kg Freistil an, dann folgen 60 kg klassisch und so weiter – auf einfache Weise die Konkurrenzen halbiert. Das wäre eine schmerzhafte, aber sinnvolle Entscheidung, die beiden Stilarten gerecht würde.
Wie muss es aus Ihrer Sicht jetzt weitergehen?
Mátraházi: Die Protestwelle ist ja schnell ins Rollen gekommen. Innerhalb weniger Minuten war das Netz voll von empörten Reaktionen, und zwar nicht nur aus Ringerkreisen. Die großen Nationen müssen die Kastanien aus dem Feuer holen. Und natürlich muss unser Verband voll mitziehen.
Wie groß schätzen Sie die Chancen ein, dass das tatsächlich etwas bewirkt?
Mátraházi: Das ist schwer zu sagen. Aber ich bin optimistisch. Der Druck wird so groß sein, da muss das IOC seine Entscheidung ganz einfach revidieren. Ich betone gerne noch einmal: Es ist eine Schande, eine klassische Grundsportart so an die Seite schieben zu wollen.
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- Ringen um Olympia
Website des DRB zur Rettung des olympischen Ringen - Ausschluss der Ringer von Olympia
Sportschau-Beitrag - Debatte um Ringen
Artikel der FAZ - Ringer-Olympiasieger gibt Medaille zurück
Artikel Spiegel-Online - Stimmen zum Olympia-Aus
Ringen in Deutschland - Hommage an eine sterbende Sportart
Artikel Spiegel-Online
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3 Kommentare
Als ehemaliger Lübtheener Aktiver und Übungsleiter und heutiges Lübtheener Vereinsmitglied und Sympathisant hat mich die Information zun eventuellen Olympia-Aus meiner/unserer Sportart wie ein Schlag in die Magengrube erwischt. Czaba’s Aussagen ist nichts hinzu zu fügen.
Unglaublich, welch ein Verständnis der olympischen Idealen die Altherrenriege des IOC beweist, wenn eine der wenigen tatsächlich historischen Ursprungssportarten der Olympiade ins Abseits katapultiert werden soll. Hier ist zu erkennen wozu Lobbyismus und Finanzen im Sport fähig sind, das „Sponsoring“ für diese Herren aus der Ringkapfecke war offensichtlich zu gering.
Es bleibt zu hoffen, dass ausreichend Druck entsteht, um das Aus zu verhindern. Sicherlich sollte der Weltverband dringend daran arbeiten, die Wettbewerbe für die Allgemeinheit interessanter zu gestalten.
Sicherlich trifft das alles zu – und letztendlich geht es zumindest für das IOC tatsächlich nur ums Geld und nicht um den sportlichen Gedanken.
Allerdings finde ich, hat man es jahrelang seitens des DRB und auch des Weltverbandes versäumt, das Ringen professionell & Öffentlichkeitswirksam zu präsentieren.. das haben andere Sparten deutlich besser gemacht. Man kann nur hoffen, dass sich jetzt Vieles ändert und die momentane öffentliche Aufmerksamkeit für das Ringen genutzt werden kann um die Entscheidung doch zu revidieren!
RINGEN aus dem olympischen Programm zu nehmen ist dermaßen absurd! Sogar weniger sportbegeisterte Menschen meiner Umgebung empören sich darüber!
Aber was kann man machen, wenn sich die „Olympiawächter“ immer weiter von der Wurzel der Spiele entfernen und statt RINGEN Softball, Squash, Wakeboarden oder Wushu aufnehmen wollen?
Vorgestern schrieb ich über den entsprechenden WEB-Site-Kontakt (direkt bekam ich die IOC- und NOK-Adressen nicht heraus) Emails an NOK und IOC. Antworten wird wahrscheinlich niemand…
Kann ich nicht etwas tun?
Ditte Busch – Nichtringerin