verfasst von Thomas Willmann – Schweriner Volkszeitung
In die deutsche Ringerlandschaft ist nach lang andauernden Querelen und Grabenkämpfen – in einem Kommentar heißt es dazu: „Man redet nicht miteinander, sondern nur noch übereinander“ – Bewegung gekommen. Eher unfreiwillig sah sich der Deutsche Ringerbund (DRB) zu einer Umstrukturierung gezwungen. Durch die Entscheidung einiger Spitzenclubs, sich aus der Bundesliga zu verabschieden, um sich in einer inzwischen neu gegründeten Deutschen Ringer Liga (DRL) unter anderem besser vermarkten zu können, blieben vom ohnehin schon auf acht Mannschaften zusammengeschrumpften Ringer–Oberhaus nur noch drei Teams übrig. Eine neue Struktur musste her, der notgedrungen die zuvor als unantastbar eingestufte 2. Bundesliga „geopfert“ wurde.
Einer der letztlich 21 Vereine, die für die neue, in drei Siebener–Staffeln eingeteilte DRB–Bundesliga gemeldet haben, ist der RV Lübtheen. Diesen Schritt habe man aus voller Überzeugung getan, betont der Vereinsvorsitzende Bert Compas: „Der Vorstand hat im Vorfeld mit allen Aktiven gesprochen. Es stand die Frage im Raum: Wollen wir weiter Bundesliga ringen, oder ganz unten in der Oberliga neu anfangen? Eine andere Alternative gab es zu dem Zeitpunkt nicht. Der Tenor war einhellig: Bundesliga. Dieses Votum haben wir als Auftrag begriffen und die Weichen gestellt.“ Man wisse in dieser Entscheidung den kompletten Verein hinter sich.
Die Lindenstädter wurden der Staffel Südost zugeordnet, betreten dort ab dem 2. September weitgehend unbekanntes Terrain. Von den zehn Mannschaften der letztjährigen Nordstaffel haben sich neben dem RVL lediglich der FC Erzgebirge Aue und die WKG Pausa/ Plauen zu einer Teilnahme an der jetzt höchsten deutschen Wettkampfklasse entschlossen. Mit SV Johannis Nürnberg, SV Hallbergmoos, SVW Burghausen und TSV Westendorf kommen Gegner hinzu, die für Kenner der Szene für eine lange Ringkampf–Tradition in Deutschland stehen, aber darüber hinaus hierzulande völlig unbeschriebene Blätter sind. Diese vier Vereine haben ihre Heimat ausnahmslos in Bayern. Was bedeutet, dass auf die Lübtheener reichlich Fahrkilometer zukommen. „Der logistische Aufwand wird größer, keine Frage. Ob wir mit Übernachtung planen müssen, oder die Auswärtsfahrten vielleicht doch über bequeme Busse organisieren können – da sind wir noch am überlegen.“ Eines möchte Compas in diesem Zusammenhang klar stellen: Mit dem Bundesliga–Start gehe der Ringerverein Lübtheen kein wirtschaftliches Risiko ein. „Der Etat für die neue Saison steht.“ Man sei in der glücklichen Lage, auf verlässliche Sponsoren bauen zu können. Weitere Unterstützer seien natürlich höchst willkommen. Es geht dem Vereinschef und seinen Mitstreitern darum, die eigenen sportlichen Ziele langfristig absichern zu können. „Wir haben uns hier als Lübtheener Ringerverein etwas aufgebaut, auf das wir schon stolz sind. Wenn man alleine die vergangenen vier Jahre in der zweiten Bundesliga betrachtet. Das war Spitzensport. Und dieses Niveau wollen wir halten. Das ist unsere Motivation.“ Im jetzt angedachten Bundesliga–Format sieht man bei allen Unwägbarkeiten, die neue Wege immer mit sich bringen, eine echte Chance: „Das wird ein entscheidendes Jahr, wie es im deutschen Mannschaftsringen auf Bundesligaebene weitergeht. Und wir sind dabei.“
Die Lübtheener setzen im wesentlichen auf die Mannschaft, die in der vergangenen Saison ihre Klasse hinlänglich unter Beweis gestellt hat. Dank bärenstarker Hinrunde führte man die Tabelle lange an. Bis die „Verletzungsseuche“ in einem Maße zuschlug, „wie wir es bis dahin noch nicht kannten.“ Als Folge fand sich der RVL im Abschlussklassement auf dem sechsten Platz wieder (zu Medaillenrang drei fehlten nur drei Punkte). Um den Kader für die bevorstehende Herausforderung noch breiter aufzustellen, wurde kräftig gekurbelt. „Das deutsche Ringen spielt sich ja zumeist im Süden ab. Vor dem Hintergrund ist es alles andere als leicht, gute Leute in den Norden zu holen.“ Und doch waren Compas und Co. erfolgreich. Ganz im Sinne der eigenen Philosophie, nach Möglichkeit auf talentierte Nachwuchsringer aus dem eigenen Land bauen zu wollen. Der 20-jährige Benjamin Opitz wechselt vom früheren Liga–Konkurrenten RV Thalheim in die Lindenstadt, Alexander Röll (20) und Ilja Matuhin kommen aus der Ringer–Hochburg Luckenwalde. Alle drei haben im Jugend- und Juniorenbereich schon reichlich Medaillen auf nationaler und teilweise auch auf internationaler Ebene gesammelt und sind ambitioniert, diesen Weg weiterzugehen. Mit Routinier Sebastian Otto (33) streift außerdem ein alter Bekannter nach einjähriger Abstinenz wieder das Lübtheener Trikot über.
Insgesamt setzt sich der vorläufige Kader, der Cheftrainer Jens–Peter Sievertsen zur Verfügung steht, aus 23 Aktiven zusammen. „Wir haben eine Mannschaft, die ringerisch was zu bieten hat, die gegenhalten kann“, ist der Vereinsvorsitzende von seinen „Jungs“ überzeugt. Die Zielstellung ist klar formuliert. Die Mecklenburger wollen nicht nur einfach mitmachen, sie wollen ins Achtelfinale. Das heißt, mindestens Platz fünf in der Staffel muss her. Was angesichts der Konkurrenz garantiert kein Selbstläufer wird. Die vier bayerischen Teams haben alle in der starken 2. Bundesliga Süd gerungen. Nürnberg, Hallbergmoos und Burghausen können auf Erstligaerfahrung verweisen. „Insbesondere der letztjährige Staffelsieger Burghausen soll mächtig am Einkaufen sein. Aber auch die anderen sind echte Kracher“, sprudelt es förmlich aus Bert Compas heraus. Der Vereinschef denkt dabei nicht zuletzt an das begeisterungsfähige Lübtheener Publikum. „Was bei uns los ist, hat sich bis in den Süden herumgesprochen. Der Rückhalt unserer Fans ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können.“ Und um das Zuschauen noch attraktiver zu machen, hat der Verein neben einer neuen Matte, die internationalen Ansprüchen genügt, auch eine neue Tribüne angeschafft.“ Die wird ihre erste Belastungsprobe am 9. September zu bestehen haben, wenn sich der RVL nach seiner Bundesliga–Premiere eine Woche zuvor in Westendorf dann zu gewohnter Zeit um 19.30 Uhr gegen die WKG Pausa/Plauen erstmals vor heimischem Publikum präsentiert.